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OVB 31.12.2013 zur Lage der
Hochriesbahn
OVB-Bericht
Betriebswirtschaftlich über dem Berg
Den Jahreswechsel 2008/2009 wird Samerbergs Bürgermeister Georg
Huber nicht vergessen: Die drohende Insolvenz der Hochriesbahn
sorgte damals für schlaflose Nächte. Heute, fünf Jahre nach der
Übernahme durch eine "Koalition" von Gemeinde und Deutschem
Alpenverein (DAV), raubt die Bahn dem Bürgermeister nicht mehr den
Schlaf. Denn das Retter-Quartett mit Huber und Andreas Müllinger von
der Gemeinde Samerberg, Franz Knarr und Dieter Vögele von der
DAV-Sektion Rosenheim, kann zum ersten Mal nach 40 Jahren stolz
verkünden: "Der Bahnbetrieb trägt sich selbst und ist für die
Zukunft gesichert."
Samerberg - "80 Jahre Hochriesbahn: Traum und Wirklichkeit", hat der
Schatzmeister der DAV-Sektion Rosenheim, Dieter Vögele, seine
Dokumentation über die Hochriesbahn genannt. Ein Titel, der passt:
Denn seit den 30er-Jahren hat die Bahn viel Anlass zum Träumen
gegeben, viele Luftschlösser gebaut und ebenso viele Hoffnungen
begraben - und ist heute, zum Jahreswechsel 2013/2014, endgültig in
der Wirklichkeit angekommen. Sektkorken werden nicht knallen in der
Gemeindeverwaltung Samerberg und in der DAV-Geschäftsstelle
Rosenheim. Doch angesichts der Tatsache, dass es nach fünf schweren
Jahren gelungen ist, die letzten übernommenen Darlehen zu tilgen,
kommt bei den ehrenamtlichen Geschäftsführern Huber, Müllinger,
Knarr und Vögele doch etwas verhaltene Feierlaune auf.
Wobei: Anlass zu ausgelassener Freude gibt es nicht, betont Vögele,
der als Banker im Ruhestand bei der Hochriesbahn die ungeliebte
Rolle des kühlen kaufmännischen Rechners übernommen hat. Dass er als
Schatzmeister der DAV-Sektion Rosenheim einmal auch
betriebswirtschaftliche Verantwortung für eine Bergbahn übernehmen
würde, damit hätte Vögele nicht einmal im Traum gerechnet. An die
Rolle als Gesellschafter musste sich auch Samerbergs Bürgermeister
Huber erst gewöhnen. Schlaflose Nächte hat ihm dieses Engagement
nach der Übernahme vor fünf Jahre zwar nicht mehr bereitet. "Hinter
uns liegt jedoch ein steiniger Weg", bekennt er offen. Dieser war
gepflastert mit unpopulären und umstrittenen Entscheidungen: Dazu
gehörte der Entschluss, sich ganz auf die Kernkompetenz der Bahn,
den Transport von Wanderern und Bergsportlern, zu konzentrieren,
eine strikte Preispolitik einzuführen, die alle Benutzergruppen
gleichbehandelt, und die Umstellung auf einen reinen Sommerbetrieb.
Dass der Bahnbetrieb nach der Übernahme durch Gemeinde und
DAV-Sektion Rosenheim schnell schwarze Zahlen schrieb, liegt
außerdem an der Tatsache, dass die Geschäfte im Ehrenamt geführt
werden. Alle Einnahmen dienen der Deckung der Betriebskosten und dem
Aufbau von Rücklagen, fließen also zu hundert Prozent in die
Gesellschaft zurück. Kein Geld wird mehr aus dem Betrieb
herausgezogen, öffentliche oder Steuergelder auch nicht als
Finanzspritzen hineingegeben.
Mittlerweile ist die Kritik am pragmatischen Konzept trotz immer
wieder aufflammender Diskussionen um die Winterpause und die Preise
für spezielle Benutzergruppen verstummt, wird allgemein anerkannt,
dass die ungewöhnliche Allianz von Alpenverein und Gemeinde eine
Liftruine am Samerberg erspart hat. Hätte die 2008/2009 übernommene
Bahn nicht gerettet werden können, wäre außerdem als Ersatz der Bau
einer Wirtschaftsstraße zur Versorgung der Gipfelhütte notwendig
gewesen.
Absage an Traumtänzer
Eine Bauchlandung der Bahn konnte jedoch verhindert werden, freuen
sich die Verantwortlichen Knarr, Vögele, Huber und Müllinger. Doch
trotz der Tatsache, dass sich der Betrieb mittlerweile selbst trägt,
bleiben sie auf dem Boden: In den nächsten fünf Jahren stehen für
etwa eine Million Euro Investitionen in die Technik (neue Steuerung
der Kabinen und Auswechseln der Seile) auf der Agenda. Es gilt,
dafür hohe Rücklagen aufzubauen. Dies geht nach Informationen von
Vögele nicht durch den Fahrbetrieb. Einnahmen generieren die
Gesellschafter jedoch auch durch die Tatsache, dass der Standort
begehrt für Telekommunikations-einrichtungen ist, und durch
Parkgebühren. Trotzdem: "Traumtänzer und Anspruchsdenken dürfen
nicht wieder Fuß fassen", lautet der Appell des
DAV-Sektionsvorsitzenden Knarr.
Träume sind Schäume: Diese Binsenwahrheit unterstreicht auch die
80-jährige Geschichte der Hochriesbahn. Sie erzählt von der
Goldgräberstimmung des aufkommenden Wintersporttourismus in den
Alpen, von hochfliegenden Plänen für einen "Skizirkus auf der
Hochries", welche im wahrsten Sinne des Wortes am steilen Nordhang
zerschellten, und vom Pleitegeier, der mehrfach über dem Gipfel
kreiste. All diese fianziellen Talfahrten, Auf und Ab haben auch die
OVB-Heimatzeitungen intensiv verfolgt. Die Hochriesbahn war immer
für eine - früher meist negative, in den vergangenen fünf Jahren
positive - Nachricht gut.
Der Grund: Träume von einer Hochries als Wintersportparadies, die in
den 30er-Jahren aufkamen. 1934 titelt der "Rosenheimer Anzeiger"
erstmals: "Eine Drahtseil-Bahn auf die Hochries?" und spricht
enthusiastisch davon, dass "ein neues, für Rosenheim, den Chiemgau
und den Samerberg hochwichtiges Projekt vor der Inangriffnahme"
stehe. Die Bahnstrecke mit Halt in Frasdorf hatte einen
Massenansturm von Wintersportlern ausgelöst. Sogar Sonderzüge
fuhren. An einem Wochenende gingen 2000 bis 3000 zu Fuß auf den
Gipfel.
Der Bau einer Drahtseilbahn scheiterte jedoch unter anderem am
Naturschutz, berichtet der "Rosenheimer Anzeiger" 1936. Als zweites
Argument wird "Rücksicht auf die Erhaltung der Lebensfähigkeit der
Wendelsteinbahn" genannt.
1953 meldete unsere Zeitung: "Ein alter Plan wird wieder aktuell -
kleine Kabinenseilbahn auf die Hochries". Doch der erneuten
Euphoriewelle folgte wieder die Ernüchterung. Erst Ende der
60er-Jahre gab es die Bau- und Betriebsgenehmigung für eine Seilbahn
von Grainbach auf die Hochries. Ihm war laut Rosenheimer Anzeiger
"ein aufsehenerregender Grundstückshandel" vorausgegangen. Eine
Kapitalgesellschaft sammelte danach Geld von 1200 Kommandisten -
darunter viele Samerberger Bürger. Sie glaubten dem Versprechen,
"eine Kapitalanlage der Vernunft" geleistet zu haben, und der
Aussicht auf eine bis zu 16-prozentige Verzinsung. Sie erwies sich
jedoch als Seifenblase: Die 1973 in Fahrt gesetzten Gondeln standen
bereits 1977 unter Zwangsverwaltung. 1980 folgte die
Zwangsversteigerung. Die vielen Kleininvestoren verloren ihr Geld.
Der Grund: hochfliegende Träume von einem Ski-Eldorado auf der
Hochries, die nicht umzusetzen waren. Die OVB-Leser diskutierten
bereits in den 70er-Jahren über die Frage, ob ein
Massen-Wintersporttourismus auf der Hochries dem Naturerlebnis
schade, kritisierten die "Landschaftszerstörung" durch einen
"Ski-Zirkus", wiesen auf die Lawinengefahr hin und warnten vor einer
"Schutthalde" auf der Hochries.
Doch es waren vor allem technische Gründe, die das neue
Wintersportgebiet stoppten. Denn die Bahn führte in ein Gebiet, das
dafür überhaupt nicht geeignet ist. Für eine Skiabfahrt ins Tal
hätte eine breite Schneise in den Nordhang der Hochries geschlagen
werden müssen. Hinzu kam ein Gefälle von mehr als 30 Grad. Auch die
Hoffnung auf große Geschäfte mit dem Wintertourismus zerbarst: Die
österreichischen Alpen machten den oberbayerischen kräftig
Konkurrenz. Und der Schnee erwies sich als unberechenbarer Faktor.
"Wirtschaftliche Talfahrten"
Trotzdem wagte 1980 ein privater Investor mit einer
Beteiligungsgesellschaft den Kauf der Bahn. Doch auch ihm und seinen
Nachfolgern gelang keine finanzielle Gesundung. Das OVB berichtet
über "wirtschaftliche Talfahrten", stillstehende Bahnen, "abgebaute
Sessel", einem "Verwirrspiel" rund um den Betrieb und die
Finanzierung. Jährliche Verluste: bis zu 280000 Euro. Anfang des
neuen Jahrtausends folgen Rettungsversuche - unter anderem durch den
geplanten Baulandverkauf zugunsten der Bahn, für den sogar ein
Bürgerentscheid notwendig wurde, und das endgültige Abrücken vom
Massenbetrieb in Richtung "sanften Tourismus".
2008 dann der "Schock: "Hochriesbahn stand still", wie die
OVB-Heimatzeitungen berichten. Tiefpunkt: die drohende erneute
Insolvenz. Zwischen den Feiertagen rund um den Jahreswechsel jagte
eine Krisensitzung die nächste. Einen Tag vor Silvester fiel dann
die Entscheidung, die die Rettung brachte: Gemeinde Samerberg (65
Prozent) und Alpenverein, Sektion Rosenheim (35 Prozent) übernahmen
das angeschlagene Unternehmen - eine Entscheidung, die von Stadt und
Landkreis Rosenheim unterstützt und durch einen Forderungsverzicht
der Bank möglich wurde.
Seitdem umweht den Gipfel des Rosenheimer Hausberges, zu dem die
Seil- und Kabinenbahn hinaufführt, ein anderer Wind. Seine Richtung
erhält er durch eine "konsequent betriebswirtschaftlich orientierte
Geschäftsführung", so Vögele. Die Konzentration auf das Kerngeschäft
hat dazu geführt, "dass die Hochriesbahn Samerberg GmbH als
verlässlicher Partner für den Tourismus in der Region gilt", ist
Knarr überzeugt.
Mit Altlasten hat die Bahn trotzdem noch zu kämpfen: Überraschende
Nachwirkungen aus den Verträgen der einstigen Gesellschafter
beeinträchtigen nach wie vor die Arbeit, bedauern Knarr und Vögele.
Mit 97 auf den Gipfel: Bahn macht`s möglich
Gemeinsam mit Geschäftsführer Müllinger und Bürgermeister Huber als
Vertreter der Gemeinde Samerberg werden sie auch diese Hürden
bewältigen. Die Bergfreunde können sich deshalb darauf verlassen,
dass die Bahn fährt - von Ostern bis Allerheiligen. 25000 bis 35000
Passagiere befördert sie pro Jahr - darunter nicht nur Wanderer und
Ausflügler, sondern auch Radler, die den Bikepark besuchen, Drachen-
und Gleitschirmflieger. Und viele Familien mit kleinen Kindern, die
zu Fuß den Rosenheimer Hausberg noch nicht erklimmen können.
Was auch für viele gehbehinderte Senioren gilt, die dank der Bahn
den sensationellen Ausblick auch im Alter genießen können. Oder das
Schafkopfen auf dem Gipfel, das ein 97-jähriges DAV-Mitglied
regelmäßig genießt: Die Bahn macht‘s möglich. Für viele Ältere, die
jahrzehntelang den Berg zu Fuß erklommen haben, hält sie die
Erinnerungen an die Gipfelstürmerzeiten wach. OVB
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Stand: 2016 |
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Webcam
Hochries Weststart |
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Webcam Hochries Ost |
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Webcam Samerberg |
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